Das Nervensystem & die Zähne: Die Rolle von Balance und Rhythmus
Teil 8: Wie innere Uhren, Ausatmung und kleine Taktgeber die Mundumgebung verändern
Thema der Blogreihe: Ernährung, Bewegung & Zahngesundheit – ganzheitlich betrachtet
Speichel folgt einem Tag-Nacht-Takt: Abends sinkt der „Puffer“, Säureimpulse wirken länger. Gleichzeitig sendet jeder Kaureiz Signale über den Trigeminus in Hirnstamm-Netzwerke; unmerklich verlängert sich die Ausatmung, der Parasympathikus gewinnt – Speichelfluss steigt. Wer diesen Takt nutzt (klare Essfenster, längere Ausatmung, ruhige Abende), verschiebt die Bilanz Richtung Remineralisation.
1) Rhythmus steuert Biologie – was das konkret für den Mund heißt
Circadian: Ab spätem Nachmittag weniger Speichel → Säurephasen dauern länger; Remineralisation braucht Pausen.
Ultradian (ca. 60–90 Min.): Natürliche Mini-Tiefs eignen sich für kurze Regulationsfenster (Atem/kurzer Reset).
Meal-Timing: 2–3 Essfenster statt Dauerinput → längere pH-Erholung, Speichel kann liefern (Kalzium/Phosphat).
💡 Merksatz: Abends sinkt der Speichel-Puffer. Takt vor Menge gewinnt.
2) Trigeminus & Ausatmung – der unterschätzte Hebel
Kaureiz → Hirnstamm → längere Ausatmung → mehr Speichel.
Zungenruhelage: Zunge oben am Gaumen zentriert das Kiefergelenk – Basis für ruhige Atmung.
Nasenatmung & NO: Nasale Atmung bringt Stickstoffmonoxid (NO) aus den Nasennebenhöhlen, beruhigt Schleimhäute, unterstützt Mundfeuchte indirekt.
Im Detail:
Bei nasaler Atmung wird in den Nasennebenhöhlen NO gebildet und mit der Einatemluft in die Lunge geführt. Das hat ein paar nützliche Effekte:
Gefäßerweiternd: verbessert die Durchblutung der Atemwege und Lunge → effizienterer Gasaustausch.
Antimikrobiell: hemmt/bremst bestimmte Keime in Nase und oberen Atemwegen.
Schleimhautpflege: unterstützt Flimmerhärchen-Funktion und befeuchtet indirekt die Atemwege.
Atemregulation: fördert ruhigere, gleichmäßigere Atmung (oft längere Ausatmung).
3) Schlafbiologie: warum der Abend „entscheidet“
Licht als stärkster Taktgeber
Warmes, gedimmtes Licht 60–90 Minuten vor dem Schlaf senkt Grundspannung; der Mund ist über Nacht weniger trocken.Späte Säure/Koffein/Alkohol
Sie verlängern die „Sauerzeit“ im Mund und fragmentieren den Schlaf – Pressmuster nehmen zu.Nasenpflege statt Mundatmung
Befeuchtete, freie Nase (z. B. Salzspray, Raumluft nicht zu trocken) = mehr nasale Atmung = weniger Mundtrockenheit.
4) Mikro-Protokolle (je 60–120 Sek.) – präzise & messbar
A) 90-Sekunden-Vagus-Takt (3×/Tag)
Lippen geschlossen, Zunge am Gaumen, Zähne haben LUFT. 3/6-Atmung (3 s ein, 6 s aus) × 6 Atemzüge.
B) Kau-Priming vor der Mahlzeit
6–8 ruhige Kaubewegungen auf einem bissigen Happen (z. B. Apfelstück) – ohne Pressen. Tempo wird ruhiger, Speichel „ist an“.
C) 5-Minuten-Gehen nach der Mahlzeit
Flott, aber sprechfähig – pH-Kurve glatter, Kopf klarer.
D) Hals-/Brustkorb-Weitung (2×/Tag, 60 s)
Arme seitlich heben, Brustbein 1 cm anheben, 5 nasale Atemzüge – Ausatmung wird führend.
E) Abend-Dimmung + „5 Ausatmungen“
Licht warm/gedimmt, Displays aus; 5 bewusste Ausatmungen (Ausatmung doppelt so lang wie Einatmung). Danach sanfte Pflege.
5) Wochenrhythmus (Beispiel, flexibel)
Täglich: A) 90-Sekunden-Vagus-Takt 3×, D) Brustkorb-Weitung 2×.
Nach Mahlzeiten: C) 5 Minuten gehen.
3×/Woche: Achtsame Bewegung (Yoga/Tai Chi/ruhiger Flow) 15–30 Min.
Jeden Abend: E) Licht dämpfen + „5 Ausatmungen“; keine späten Säure/Koffein/Alkohol-Impulse.
6) Selbstcheck – bin ich im guten Takt?
Trockener Mund am Abend? Morgens verspannter Kiefer? Späte Süß-/Säure- oder Koffeinzeiten? Kurze, schnelle Atmung am Schreibtisch?
≥2× ja: Start mit A und E – spürbar in 48 h.
7) Wann abklären?
Ausgeprägtes Knirschen/Zahnsubstanzverlust, starker Schmerz, Schnarchen/Apnoe-Verdacht, dauerhaft erschwerte Nasenatmung; hartnäckige Zahnfleischentzündung trotz Pflege → interdisziplinär (Zahnmedizin/KFO, HNO/Schlaf, Physio/Osteo).
Hinweis: Der Artikel dient nur zu Informationszwecken und sollte nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Für eine persönliche Beratung ist stets der Besuch in unserer Praxis oder bei einem anderen Experten empfohlen.
Ausblick auf Teil 9
Kleine Impulse mit Wirkung – für Erwachsene & Kinder
Im letzten Teil bündeln wir das Wichtigste in einfache, verlässliche Routinen. Ziel ist nicht „mehr tun“, sondern klüger takten: kleine, wiederholbare Impulse, die pH-Rhythmus, Speichelfluss, Kauapparat und Regeneration spürbar unterstützen – ohne Extra-Programm.
Weiterlesen:
Teil 1 der Reihe: Ernährung & Zähne – Die wichtigsten Zusammenhänge
Teil 2 der Reihe: Zuckerkonsum, Säuren & Karies: Mehr als nur Süßes
Teil 3 der Reihe: Mineralien & Mikronährstoffe für starke Zähne
Teil 4 der Reihe: Kaukraft & Kiefer: Warum Kauen ein Supertool ist
Teil 5 der Reihe: Kindliche Entwicklung: Weiche Kost, CMD & Kieferfehlstellungen
Teil 6 der Reihe: Erwachsene & CMD: Stress, Kiefer und falsche Bewegung
Teil 7 der Reihe: Bewegung & Zahngesundheit: Der Körper als System
Teil 9 der Reihe: Alltagstaugliche Routinen für Ernährung & Bewegung
💡 Hinweis zur individuellen Beratung
Wir freuen uns, dass unsere Blogbeiträge Ihnen wertvolle Einblicke in die biologische Zahnmedizin geben. Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Informationen eine individuelle zahnärztliche Beratung nicht ersetzen können.
Da eine fundierte Einschätzung immer eine persönliche Untersuchung und eine vollständige Befundaufnahme erfordert, können wir per E-Mail keine medizinischen Diagnosen oder Behandlungsempfehlungen geben. Vielen Dank für Ihr Verständnis!